In der Tat auf den ersten Blick ein großer Widerspruch. Gerade die Liebesbeziehung steht für das gemeinsame Erleben, das harmonische Miteinander und die Idee, sich zu unterstützen und füreinander da zu sein. Diese romantische Sicht auf die Partnerschaft ist allerdings nur eine Seite der Medaille: Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen an das Leben und den Partner haben sich in den letzten Jahrzehnten so stark verändert, dass durchaus Interessensgegensätze auftreten können. Ein allgemeiner Individualismus macht auch vor den Beziehungen nicht Halt. Wir wollen uns in unseren Partnerschaften selbst verwirklichen. Dabei vergleichen wir uns mit dem anderen, wie der sich gut oder weniger gut verwirklicht ? und schon stehen wir in Konkurrenz zueinander.
Thomas Zimmermann - am Freitag, 10. September 2004, 10:42 - Rubrik: Fragen zum Neid
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Ein Freund sagte gestern über die Beziehung zu seiner Freundin zu mir: "Wir konkurrieren miteinander, wer ärmer ist, wer mehr Aufmerksamkeit braucht, wer gesundheitlich beeinträchtigter ist" - Daran lässt sich erkennen, dass es im Alltag nicht nur darum geht, sich nach oben (wer hat mehr, ist besser, sahnt ab) zu vergleichen. Auch der Vergleich nach unten (wem geht es schlechter, wer hat weniger) kann zu großer Rangelei in der Beziehung führen.
Thomas Zimmermann - am Freitag, 10. September 2004, 10:16 - Rubrik: Alltag und Neid
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In seltener Offenheit bekennt Stefan Kretzschmar seinen Neid auf seine Freundin Franziska van Almsick: "Franziska ist einzigartig, eine wirklich großartige Frau. Wenn ich mir nur das Sportliche ansehe, dann packt mich der blanke Neid. Sie hat bei Olympia schon zwei Mal Silber und zwei Mal Bronze gewonnen, davon träumen Heerscharen von Athleten - zum Beispiel ich."
Kretzschmar scheut sich nicht, zu bekennen, dass er auf diesem Gebiet nicht mit seiner Freundin mithalten kann. Das macht ihn sympathisch, denn er setzt sich darüber hinweg, dass er zu einem Gefühl steht, das gesellschaftlich so verachtet wird - den meisten von uns jedoch sehr vertraut ist.
Kretzschmar scheut sich nicht, zu bekennen, dass er auf diesem Gebiet nicht mit seiner Freundin mithalten kann. Das macht ihn sympathisch, denn er setzt sich darüber hinweg, dass er zu einem Gefühl steht, das gesellschaftlich so verachtet wird - den meisten von uns jedoch sehr vertraut ist.
Thomas Zimmermann - am Donnerstag, 12. August 2004, 08:49
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Der FDP-Mann Kubicki spekuliert auf NDR-Info darüber, ob CSU-Mann Stoiber möglicherweise neidisch auf die erfolgreiche CDU-Frau Merkel sei - und deswegen gifte, das Duo Merkel/Westerwelle könne dem Duo Schröder/Fischer nicht das Wasser reichen.
Es klingt nicht unplausibel, was Kubicki sagt - aber es bleibt der fade Beigeschmack, der allen ferndiagnostischen Neidvorwürfen anhaftet: Wirf den Kritikern einfach nur Neid vor - und alle anderen werden sie dafür verachten. Weil der Neid so übel beleumundet ist, bleibt allein der Vorwurf schon am so Gescholtenen kleben. Denn wer will schon Neid in sich hinein gedeutet bekommen?
Es klingt nicht unplausibel, was Kubicki sagt - aber es bleibt der fade Beigeschmack, der allen ferndiagnostischen Neidvorwürfen anhaftet: Wirf den Kritikern einfach nur Neid vor - und alle anderen werden sie dafür verachten. Weil der Neid so übel beleumundet ist, bleibt allein der Vorwurf schon am so Gescholtenen kleben. Denn wer will schon Neid in sich hinein gedeutet bekommen?
Thomas Zimmermann - am Donnerstag, 12. August 2004, 08:27 - Rubrik: Alltag und Neid
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Bei diesem Thema schwappen regelmäßig die Emotionen über die gedanklichen Ufer... Stichwort Mannesmann-Vodafone oder Kürzung der Bezüge beim Daimler-Vorstand.
Mit dem Neid-Argument die Diskussion darüber niederzubügeln, wie angemessen eine bestimmte Vergütung ist, gehört zu den eher unangenehmen Seiten der deutschen Diskurskultur. Immerhin kennt die Philosophie seit John Rawls und seiner "Theorie der Gerechtigkeit" den entschuldbaren Neid - also die berechtigte Empörung darüber, benachteiligt zu sein und auch keine Chance zu bekommen, diesen Nachteil wettzumachen.
Bei Löhnen und Gehältern zeigt sich sowieso ein sehr merkwürdiges Argumentationsmuster: Die Spitzenkräfte fühlen sich unterbezahlt, weil ihre Kollegen in den USA weitaus mehr einstreichen. Die Löhne der Arbeiter und Angestellten sollten sich aber bitte schön nicht an den amerikanischen, sondern an den afrikanischen oder indischen orientieren.
Also möge uns der Neid erhalten bleiben, um nicht das Bedürfnis zu verlieren, korrigierend einzugreifen oder sich zu Wort zu melden, wenn berechtigte Empörung uns umtreibt.
Mit dem Neid-Argument die Diskussion darüber niederzubügeln, wie angemessen eine bestimmte Vergütung ist, gehört zu den eher unangenehmen Seiten der deutschen Diskurskultur. Immerhin kennt die Philosophie seit John Rawls und seiner "Theorie der Gerechtigkeit" den entschuldbaren Neid - also die berechtigte Empörung darüber, benachteiligt zu sein und auch keine Chance zu bekommen, diesen Nachteil wettzumachen.
Bei Löhnen und Gehältern zeigt sich sowieso ein sehr merkwürdiges Argumentationsmuster: Die Spitzenkräfte fühlen sich unterbezahlt, weil ihre Kollegen in den USA weitaus mehr einstreichen. Die Löhne der Arbeiter und Angestellten sollten sich aber bitte schön nicht an den amerikanischen, sondern an den afrikanischen oder indischen orientieren.
Also möge uns der Neid erhalten bleiben, um nicht das Bedürfnis zu verlieren, korrigierend einzugreifen oder sich zu Wort zu melden, wenn berechtigte Empörung uns umtreibt.
Thomas Zimmermann - am Freitag, 30. Juli 2004, 15:11 - Rubrik: Alltag und Neid
In der neuen Ausgabe von "Frau im Spiegel" spricht Tom Hanks diesen Satz: "Mensch, der LKW-Fahrer, der die Coca-Cola ausfährt, vielleicht hat der ein besseres Leben." Er spielt dabei darauf an, dass das Leben des LKW-Fahrers geregelter sei als das des Schauspielers.
Ist das Neid? Arroganz? Oder Larmoyanz? Oder einfach nur die Sehnsucht danach, nicht mehr so abhängig davon zu sein, wie _andere_ einen finden: Kisten ausgefahren, Lager gefüllt, Arbeit erledigt...
Niemand hindert Tom H. daran, sich seine Sehnsucht zu erfüllen und das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen. Hanks gibt ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Neid entwickelt, wenn aus der Sehnsucht ein unstillbares Verlangen wird: Ein bestimmtes Merkmal, ein Ausschnitt aus dem Leben eines anderen wird dann so stark besetzt, dass sämtliches Handeln und Fühlen darauf gerichtet ist. Aber selten geht es dem Neid darum, das Ganze zu sehen und den Preis, den bspw. ein LKW-Fahrer zahlt, den ganzen Tag auf seinem Bock zu sitzen und durch die Gegend zu fahren: Langeweile, Rückenprobleme, Eintönigkeit.
Irgendwie kann ich nicht glauben, dass H. sich wirklich danach sehnt, das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen...
Ist das Neid? Arroganz? Oder Larmoyanz? Oder einfach nur die Sehnsucht danach, nicht mehr so abhängig davon zu sein, wie _andere_ einen finden: Kisten ausgefahren, Lager gefüllt, Arbeit erledigt...
Niemand hindert Tom H. daran, sich seine Sehnsucht zu erfüllen und das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen. Hanks gibt ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Neid entwickelt, wenn aus der Sehnsucht ein unstillbares Verlangen wird: Ein bestimmtes Merkmal, ein Ausschnitt aus dem Leben eines anderen wird dann so stark besetzt, dass sämtliches Handeln und Fühlen darauf gerichtet ist. Aber selten geht es dem Neid darum, das Ganze zu sehen und den Preis, den bspw. ein LKW-Fahrer zahlt, den ganzen Tag auf seinem Bock zu sitzen und durch die Gegend zu fahren: Langeweile, Rückenprobleme, Eintönigkeit.
Irgendwie kann ich nicht glauben, dass H. sich wirklich danach sehnt, das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen...
Thomas Zimmermann - am Mittwoch, 28. Juli 2004, 19:49 - Rubrik: Alltag und Neid
Niemand spricht gern über den eigenen Neid - insbesondere dann nicht, wenn das Gefühl sehr intensiv ist. Klar, manchmal räumen wir leichten Herzens ein, wir seien auf diesen oder jenen neidisch, aber dann handelt es sich allenfalls um eine leichte Sehnsucht, dieses oder jenes auch gern zu haben.
Wollen wir etwas voll und ganz, sehnen wir uns schon seit Jahren danach und kriegen es nicht, gehört schon eine Menge Mut dazu, den eigenen Neid öffentlich einzugestehen.
Der Neider ist nicht wohl gelitten, denn er begehrt, was ihm zunächst einmal nicht zusteht. Er stellt eine Bedrohung dar, eine Bedrohung für Hab und Gut, für Leib und Leben und manchmal auch für die Stellung in der Welt. Deswegen verfügt Papst Gregor VI. der Neid solle in den Rang einer Todsünde kommen - ein verdammenswertes Gefühl, das ein jeder fortan zu unterdrücken habe...
Wollen wir etwas voll und ganz, sehnen wir uns schon seit Jahren danach und kriegen es nicht, gehört schon eine Menge Mut dazu, den eigenen Neid öffentlich einzugestehen.
Der Neider ist nicht wohl gelitten, denn er begehrt, was ihm zunächst einmal nicht zusteht. Er stellt eine Bedrohung dar, eine Bedrohung für Hab und Gut, für Leib und Leben und manchmal auch für die Stellung in der Welt. Deswegen verfügt Papst Gregor VI. der Neid solle in den Rang einer Todsünde kommen - ein verdammenswertes Gefühl, das ein jeder fortan zu unterdrücken habe...
Thomas Zimmermann - am Dienstag, 27. Juli 2004, 11:31 - Rubrik: Alltag und Neid
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