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Die Neider sterben wohl, doch niemals stirbt der Neid (Moliere)

 

Alltag und Neid

In einem Interview mit der FAZ spekuliert die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, ob es Neid sein könnte, der den Bundestrainer Helmut Kraus veranlasst, sich dem Gespräch mit der erfolgreichen Frau aus dem Osten zu verweigern.

Weil es gesellschaftlich so verachtet ist und wir uns deswegen nicht trauen, es der Öffentlichkeit mitzuteilen, ist der Neider doppelt gestraft: Nicht nur befällt ihn ein unangenehmes, feindseliges Gefühl, es darf auch möglichst nicht nach draußen dringen.

Der Neider bleibt allein. Der Neid ist also eines der wenigen Gefühle, dem man nicht Luft machen darf. Deswegen sucht sich der Neid andere Ventile: Er tritt auf als Wut, Zorn, Schadenfreude, Zynismus, manchmal auch im Gewand der Rache.

Jeder Mensch kennt das Gefühl, neidisch zu sein: Ein anderer genießt einen Vorteil, Erfolg oder Gewinn, den wir selbst gern verbucht hätten. Besonders schwierig wird es, wenn der Beneidete der eigene Partner ist, denn Neid und Liebe scheinen sich auszuschließen. Kaum ein Paar sieht sich gern mit diesem Gefühl konfrontiert. Die Konkurrenz unter Liebenden gehört zu den letzten kommunikativen Tabus in Partnerschaften.

Ich plädiere dafür, sich des Neides nicht zu schämen, sondern ihn offen einzugestehen und eventuell gemeinsam nach Alternativen zu suchen, wie das Gefühl von Benachteiligung und Zurücksetzung verringert werden kann.

Buchcover

Im Herbst 2004 erschien im mvg Verlag mein Ratgeber: "Schön für dich - Neid und Konkurrenz in der Liebesbeziehung."

Dieses Blog soll eine Plattform bieten, um über Neid allgemein zu sprechen - aber auch jenen zum Erfahrungsaustausch dienen, denen das Phänomen in der Partnerschaft widerfährt oder früher begegnet ist.

Jeder Mensch kennt das Gefühl, neidisch zu sein: Ein anderer genießt einen Vorteil, Erfolg oder Gewinn, den wir selbst gern verbucht hätten.

Wenn ein solcher Vergleich zu unseren Ungunsten endet, fühlen wir uns schlecht, als Verlierer und Versagen. Wir schämen uns unserer Kleinheit und unserer Minderwertigkeit.

Ist der Neid-Anlass beeinflussbar, könnten wir uns anstrengen, um bei nächsten Mal besser abzuschneiden. Ist der Grund für unseren Neid nicht zu beeinflussen, müssen wir uns eine andere Strategie überlegen, auf unseren Neid zu reagieren: Wir müssen uns eine andere Vergleichdimension suchen.

Ein Freund sagte gestern über die Beziehung zu seiner Freundin zu mir: "Wir konkurrieren miteinander, wer ärmer ist, wer mehr Aufmerksamkeit braucht, wer gesundheitlich beeinträchtigter ist" - Daran lässt sich erkennen, dass es im Alltag nicht nur darum geht, sich nach oben (wer hat mehr, ist besser, sahnt ab) zu vergleichen. Auch der Vergleich nach unten (wem geht es schlechter, wer hat weniger) kann zu großer Rangelei in der Beziehung führen.

Der FDP-Mann Kubicki spekuliert auf NDR-Info darüber, ob CSU-Mann Stoiber möglicherweise neidisch auf die erfolgreiche CDU-Frau Merkel sei - und deswegen gifte, das Duo Merkel/Westerwelle könne dem Duo Schröder/Fischer nicht das Wasser reichen.

Es klingt nicht unplausibel, was Kubicki sagt - aber es bleibt der fade Beigeschmack, der allen ferndiagnostischen Neidvorwürfen anhaftet: Wirf den Kritikern einfach nur Neid vor - und alle anderen werden sie dafür verachten. Weil der Neid so übel beleumundet ist, bleibt allein der Vorwurf schon am so Gescholtenen kleben. Denn wer will schon Neid in sich hinein gedeutet bekommen?

Bei diesem Thema schwappen regelmäßig die Emotionen über die gedanklichen Ufer... Stichwort Mannesmann-Vodafone oder Kürzung der Bezüge beim Daimler-Vorstand.

Mit dem Neid-Argument die Diskussion darüber niederzubügeln, wie angemessen eine bestimmte Vergütung ist, gehört zu den eher unangenehmen Seiten der deutschen Diskurskultur. Immerhin kennt die Philosophie seit John Rawls und seiner "Theorie der Gerechtigkeit" den entschuldbaren Neid - also die berechtigte Empörung darüber, benachteiligt zu sein und auch keine Chance zu bekommen, diesen Nachteil wettzumachen.

Bei Löhnen und Gehältern zeigt sich sowieso ein sehr merkwürdiges Argumentationsmuster: Die Spitzenkräfte fühlen sich unterbezahlt, weil ihre Kollegen in den USA weitaus mehr einstreichen. Die Löhne der Arbeiter und Angestellten sollten sich aber bitte schön nicht an den amerikanischen, sondern an den afrikanischen oder indischen orientieren.

Also möge uns der Neid erhalten bleiben, um nicht das Bedürfnis zu verlieren, korrigierend einzugreifen oder sich zu Wort zu melden, wenn berechtigte Empörung uns umtreibt.

In der neuen Ausgabe von "Frau im Spiegel" spricht Tom Hanks diesen Satz: "Mensch, der LKW-Fahrer, der die Coca-Cola ausfährt, vielleicht hat der ein besseres Leben." Er spielt dabei darauf an, dass das Leben des LKW-Fahrers geregelter sei als das des Schauspielers.

Ist das Neid? Arroganz? Oder Larmoyanz? Oder einfach nur die Sehnsucht danach, nicht mehr so abhängig davon zu sein, wie _andere_ einen finden: Kisten ausgefahren, Lager gefüllt, Arbeit erledigt...

Niemand hindert Tom H. daran, sich seine Sehnsucht zu erfüllen und das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen. Hanks gibt ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Neid entwickelt, wenn aus der Sehnsucht ein unstillbares Verlangen wird: Ein bestimmtes Merkmal, ein Ausschnitt aus dem Leben eines anderen wird dann so stark besetzt, dass sämtliches Handeln und Fühlen darauf gerichtet ist. Aber selten geht es dem Neid darum, das Ganze zu sehen und den Preis, den bspw. ein LKW-Fahrer zahlt, den ganzen Tag auf seinem Bock zu sitzen und durch die Gegend zu fahren: Langeweile, Rückenprobleme, Eintönigkeit.

Irgendwie kann ich nicht glauben, dass H. sich wirklich danach sehnt, das geregelte Leben eines LKW-Fahrers zu führen...

Niemand spricht gern über den eigenen Neid - insbesondere dann nicht, wenn das Gefühl sehr intensiv ist. Klar, manchmal räumen wir leichten Herzens ein, wir seien auf diesen oder jenen neidisch, aber dann handelt es sich allenfalls um eine leichte Sehnsucht, dieses oder jenes auch gern zu haben.

Wollen wir etwas voll und ganz, sehnen wir uns schon seit Jahren danach und kriegen es nicht, gehört schon eine Menge Mut dazu, den eigenen Neid öffentlich einzugestehen.

Der Neider ist nicht wohl gelitten, denn er begehrt, was ihm zunächst einmal nicht zusteht. Er stellt eine Bedrohung dar, eine Bedrohung für Hab und Gut, für Leib und Leben und manchmal auch für die Stellung in der Welt. Deswegen verfügt Papst Gregor VI. der Neid solle in den Rang einer Todsünde kommen - ein verdammenswertes Gefühl, das ein jeder fortan zu unterdrücken habe...

 

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