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Neid+Liebe
Die Neider sterben wohl, doch niemals stirbt der Neid (Moliere)

 
Die Schwimmerin Franziska van Almsick und der Handballer Stefan Kretzschmar sind seit mehreren Jahren ein Liebespaar. Den einen gelten sie als Traumpaar des Sports, den anderen taugen sie als Beispiel, wie zwei Menschen in einer Beziehung gleichzeitig erfolgreich sein können – ohne sich dabei im Wege zu stehen. Dann überraschte der Handballer die Öffentlichkeit jedoch mit einem Bekenntnis: „Wenn ich mir nur das Sportliche ansehe, dann packt mich der blanke Neid“, sagte Kretzschmar in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ und spielte damit auf die beruflichen Leistungen seiner Partnerin an.

Der Handballer Kretzschmar neidisch auf die Schwimmerin van Almsick? Ein Liebender neidisch auf die geliebte Freundin? Für die meisten von uns ist es zunächst schwer nachzuvollziehen, warum ausgerechnet in einer Liebesbeziehung neidische Gefühle entstehen sollten. Vielmehr sind wir davon überzeugt, dass wir als Liebende stets an das Wohl des anderen denken, füreinander da sind, gemeinsame Interessen verfolgen. Liebende ergänzen einander, wachsen miteinander, entwickeln sich. Die Liebe ist der Kitt, der alles verbindet. Konkurrierende Interessen gibt es nicht. Stattdessen teilt das Paar gemeinsame Ziele und ist motiviert, es sich und dem anderen möglichst gut gehen zu lassen.

Das hinter diesem Konzept stehende romantische Liebesideal machen wir bewusst oder unbewusst zur Grundlage unserer Partnerschaften. Aus dieser Perspektive scheint es unsinnig, Liebe und Neid in einem Atemzug zu nennen. Dennoch hat der Neid des Liebenden Kretzschmar einen ganz plausiblen Hintergrund: Van Almsick gewann schon mehrere Silber- und Bronzemedaillen bei Olympia. Kretzschmars Traum von einer Medaille blieb hingegen unerfüllt.

Was Kretzschmar widerfährt, ist ganz alltäglich. Immer wieder geraten wir in Situationen, in denen wir unsere eigene Situation mit der eines anderen Menschen vergleichen: So beneidet mancher Ehemann und Vater die Frau an seiner Seite wegen ihres vertrauten Verhältnisses zu den Kindern. Aber er vermag darüber nicht zu sprechen. Stattdessen verkleidet er seine Gefühle mit einem Satz wie diesen: „Musst du die Kinder immer in Schutz nehmen? Kein Wunder, dass sie zuerst zu dir kommen, wenn sie was ausgefressen haben.“

In einem anderen Fall kritisiert eine Frau ihren Freund im Wettstreit um den besseren Diäterfolg: „Du hast dir schon so viel weggejoggt. Jetzt könntest du wirklich mal wieder anfangen, normal zu essen.“ Sie neidet ihm die sichtbare Gewichtsabnahme, weil die Kur bei ihr nicht so schnell angeschlagen hat wie bei ihm. Obwohl also genau das eintritt, weshalb beide die Diät beschlossen haben, gelingt es ihr nicht, sich über die Fortschritte des Freundes zu freuen. Genauso wenig sieht sie sich in der Lage, statt über sein Gewicht über ihren Neid zu sprechen – denn dazu müsste sie ihn sich erst einmal selbst eingestehen.
 

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